Leserbrief an Arno Goßmann
Sehr geehrter Herr Goßmann,
ich verstehe nicht, wieso die Stadt Wiesbaden weiterhin forciert den Bau der Windräder auf dem Taunuskamm fordert. Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wir haben recherchiert, mit Freunden und Bekannten gesprochen, wir haben die Gegend rund um Wiesbaden abgelaufen und abgefahren – man würde die Windräder weitläufig sehen, sie würden das Landschaftsbild nachhaltig verunstalten. Zweihundert Meter große Ungetüme sind auch schwerlich zu übersehen.
Von Mainz, von vielen Wiesbadener Vororten, von der Innenstadt und hier vom Taunus sowieso wird der Fokus auf die Kolosse geleitet und alles andere herum würde zur Nebensache degradiert werden – die schöne Lage Wiesbadens, das Stadtensemble, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehören will. Drüber hinaus muss auch noch im FFH-Gebiet gerodet werden, Naturschutz spielt plötzlich keine Rolle mehr. Jahrzehnte lang beschäftigen sich viele Leute in den Umweltämtern, erstellen wissenschaftliche Untersuchungen, klären Bürger auf, stoppen Bauprojekte. Plötzlich zählt das alles nichts mehr?
Welchen Nutzen hat das Ganze? Zieht man den Optimismus-Aufschlag des Energieertrages solcher Planungen ab (ca. 30% - leicht zu recherchieren) würden die 30 geplanten Windräder gerade mal 5-7% des Wiesbadener Strombedarfs decken, gemessen am Gesamtenergiebedarf inkl. Wärme landen wir bei 2-3 %. Diese Rechnung stimmt ja auch nur unter optimalen Bedingen, nämlich dann, wenn Last auch abgefordert wird. Dafür, also für 3% des Gesamtenergiebedarfs, wird leider 100% der einmaligen Lage und Umgebung der schönen Stadt Wiesbaden zerstört. Zunächst sollen zehn Windräder gebaut werden – was soll das nun bitte bringen? 1% Beitrag, aber immer noch 100% Zerstörung des Landschaftsbildes.
In weniger dicht besiedelten Gebieten sehen wir bereits das Ausmaß der Verschandelung, fahren Sie mal Richtung Alzey oder durch das Hunsrück – schrecklich hässlich. An der Nordsee machen wir auch keinen Urlaub mehr, die weitflächige Verschandelung der flachen Landschaft ist unerträglich, jetzt wird der Wahnsinn in die Ballungsräume getrieben.
Was ist denn, wenn die nächsten Stufen der geplanten Energiewende nie gezündet werden? Wenn es keine systematischen Speichermöglichkeiten geben wird bzw. die Infrastruktur dafür nicht aufgebaut wird, warum auch immer? Wenn sich die Verbraucher weiterhin weigern, unpraktische und teure E-Autos zu kaufen (Zulassungsanteil bisher bei 0,2%), die die ungleichmäßige Stromproduktion wenigstens abfedern könnten? Ich sehe hier weit und breit keinerlei zusammenhängende Konzepte und keine zielgerichtete Entwicklung für die nächsten Dekaden, stattdessen gibt es Stückwerke, Einzelmaßnahmen, Geldverschwendung. Warum verwendet man nicht einen Bruchteil des Budgets um nachhaltig Energiesparmaßnahmen in die Haushalte zu tragen? Warum fördern Sie nicht den Absatz sparsamer LED-Lampen und werben unorthodox für das Einfache und Naheliegende? Einsparung! Nein – das ist im Jargon der Politik tabu, es geht immer nur um Wachstum! Mehr Bruttosozialprodukt! Mehr Abgaben! Mehr Steuereinnahmen, mehr EEG-Umlage, mehr Verschuldung, die wiederum nur durch Wachstum getragen werden kann. Ein Teufelskreis!
Wir haben hier innerhalb kürzester Zeit den Energiebedarf unseres Haushaltes von 3500 kWh auf unter 2000 kWh pro Jahr gedrückt - ohne Verzicht. Wir haben gespart. Übertragen auf alle Haushalte kann man damit eine Menge Windräder einsparen – aber vielleicht ist das ja gar nicht das Ziel? Vielleicht ist es ja total praktisch und angenehm, das Geld der Bürger in Form der EEG-Umlage abzuschöpfen und umzuverteilen?
Das Paradoxe an der ganzen Geschichte ist doch, dass wir alle mit der EEG-Umlage solch fragwürdige Projekte erst ermöglicht haben. Hier im konkreten Fall findet über den Umweg über Windräder eine Verteilung von Privateinkommen an die Betreiber der Windparks ab (in Wiesbaden die ESWE bzw. die Taunuswind GmbH). Der somit augenscheinlich „günstig“ produzierte Strom wird ins Stromnetz eingespeist und bei Überproduktion dann teilweise ins Ausland verschenkt, teilweise noch mit Strafgebühren belegt.
Wir können dem Treiben wirklich nicht mehr folgen, die Verschwendung öffentlicher Gelder ist das eine Problem, das Schlimme daran dieses Mal ist aber, dass eine ganze Region auf 30-40 km Sichtweite verschandelt wird, das Ausmaß des Wahnsinns wird also dieses Mal plastisch vor unseren Augen abgebildet.
Verzeihen Sie mir bitte, wenn wir jetzt den Kanon der Politikverdrossenheit einstimmen, hier geht es weder mit rechten Dingen noch mit Vernunft zu, auf die Bürger wird schon gar nicht mehr gehört. Die Proteste und die Widerstände waren unübersehbar, leider interessiert das niemanden, stattdessen wird noch für viel Geld eine Imagekampagne für die Windkraft in Wiesbaden gestartet.
Schauen Sie sich die Bilder an und stoppen bitte dieses Projekt. Seien Sie wenigstens so aufrichtig und schicken Abstimmungsbögen in die Haushalte in und um Wiesbaden und nutzen dieses Ergebnis dann für den Fortgang des Projektes. Ich meine, wir Bürger haben ein Recht darauf, bei der Verwendung unserer Gelder und die Gestaltung unserer Umgebung mitzureden.
Mit freundlichen Grüßen
N. K.